Zum Tod von Günter Figal
Am 17. Januar 2024 starb Günter Figal, der ehemalige Vorsitzende des Vorstands der Martin Heidegger-Gesellschaft im Alter von vierundsiebzig Jahren an seinem letzten Wohnsitz Ulm.
Figal war zwischen 2003 und 2015 Vorsitzender des Vorstands der Martin Heidegger-Gesellschaft. Figals akademisch philosophisches Profil war ungewöhnlich weit. Promoviert wurde er 1976 (bei Dieter Henrich und Michael Theunissen) in Heidelberg über das Naturschöne bei Theodor W. Adorno.
Geprägt waren die Studienjahre von einer Blütezeit der Heidelberger Philosophie: Hans-Georg Gadamer hatte für Figal noch eine maßgebliche Bedeutung, auch Ernst Tugendhat hatte in jenen Jahren einen Heidelberger Lehrstuhl inne.-
1987 folgte ebenfalls in Heidelberg die Habilitation über die Phänomenologie der Freiheit bei Martin Heidegger, ein ebenso elegantes wie grundlegendes Werk. 1989 wurde Figal als Professor nach Tübingen berufen, 2001 schloss sich der Ruf nach Freiburg/Breisgau auf den einstigen Lehrstuhl Edmund Husserls und Martin Heideggers an.
Internationale Gastprofessuren flankierten Figals Weg: unter anderem in Berlin, Boston, Rom und auf den renommierten Kardinal-Mercier Lehrstuhl in Löwen (Belgien), den er 2005/06 innehatte. Auch als Autor und Herausgeber war Figal ungewöhnlich produktiv. Seit 2009 gab er die Reihe Heidegger Forum bei Klostermann und das Internationale Jahrbuch für Hermeneutik heraus. Zu dem war er Herausgeber der Reihe Philosophische Untersuchungen, beides bei Klostermann. Hohe Qualität ist für die Auswahl der Beiträge dieser Reihe bis heute charakteristisch: so gab es neben phänomenologischen Studien auch analytisch-philosophisch ontologisch orientierte Studien, unter denen nur die drei grundlegenden späten Untersuchungen von Lorenz Bruno Puntel, des Münchner Emeritus, hervorzuheben sind.
Figal legte Bücher über Sokrates, Nietzsche, die Existenz der Außenwelt vor. Nicht unerwähnt zu lassen ist Figals hohes Engagement für Ernst Jünger, den er noch persönlich, begleitet von dem Jünger-Biographen Heimo Schwilk, kennenlernte und an dessen Werk er die philosophische Dimension akzentuierte. Figal war durch lange Jahre Vorsitzender des Ernst Jünger-Freundeskreises. In all dem zeigt sich die geistige Freiheit und Unabhängigkeit Figals.
In den Freiburger Jahren wandte sich Figal einer eigenständigen Philosophie des Raumes zu, in der östliche und westliche Wege in ein Gespräch gebracht werden konnten. Kunstwerke bestimmen Orte. Die phänomenologische Kategorie des Raumes steht indes häufig im Nicht-thematisierten.
Architektur, bildende Kunst, vor allem japanische Kalligraphie, Neue Musik und Literatur spielten für Figal eine zentrale Rolle. Paul Valéry war für Figals ästhetisches Denken von hoher Bedeutung.
Persönlich bin ich Figal als Mitgutachter in meiner Erlanger Promotion und meiner Halleschen Habilitation für seine Fairness und Kompetenz zu großem Dank verpflichtet.
Figal öffnete die Heidegger-Gesellschaft noch weiter auf die internationale Debatte. Nicht zu verschweigen ist der jähe Rückzug vom Vorsitz der Martin-Heidegger-Gesellschaft, den er mit dem Erscheinen der Schwarzen Hefte im Rahmen der Martin-Heidegger-Gesamtausgabe begründete. Dieser jähe Schritt hinterließ Narben. Dennoch lag Figal jede wohlfeile Heidegger-Polemik schon von seinem vornehmen Naturell her fern.
Die Martin-Heidegger-Gesellschaft wird Günter Figal ein ehrendes Andenken bewahren.
Prof. Dr. Harald Seubert, Vorsitzender des Vorstands der Martin-Heidegger-Gesellschaft